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Rhythmus
Die Zyklen der Natur sind auch Vorbild für Thomas Diermanns methodische Vorgehensweise. Hat er für eine Skulptur eine Form gefunden, die ihn einerseits zufrieden stellt, ihn andererseits zur gestalterischen Weiterentwicklung inspiriert, greift er das Thema nochmals auf, variiert es mit anderen Linienführungen, neuen Schnitten oder in grösseren Dimensionen. Aus diesen vertiefenden Experimenten entstehen die für ihn typischen Werkfolgen, Skulpturen, die, wie Mitglieder einer Familie, den gleichen "Namen" führen, einander ähneln und doch ganz individuelle Züge tragen. Ein Beispiel dafür ist die Skulptur "Tanz" aus dem Jahr 1998. Aus einem Stamm gesägt, befinden sich die zwei Achsen des Werkes deutlich getrennt voneinander und berühren sich gleichzeitig minimal am Kopf und wie scheinbar am Fuss. Die Spannung aus dieser beinahe flüchtigen Geste wird durch eine parallel geführte, vertikale Drehung der beiden Körper zu einer gemeinsamen, rhythmischen Aufwärtsbewegung gesteigert. Doppelt vorhandene Strukturen, wie der breite Fuss, die schmale Mittel- und spitz zulaufende Oberpartie, die an Haut erinnernden Oberflächenspuren und jeweils ein schmaler Vertikalschnitt in beiden Achsen, heben das Menschenähnliche der Figur hervor.
Einige Jahre später nimmt der Künstler das Thema "Tanz" nunmehr mit einem über drei Meter großen Stamm wieder auf. Die Parallelen finden sich im zweiteiligen Aufbau, in der Betonung der Vertikalen durch rhythmische Längsschnitte, in der behutsam herausgearbeiteten, schmalen Berührungsfläche der Achsen. Dennoch unterscheiden sich die Körper in dieser Variante stärker voneinander, denn man kann deutlich eine männliche und eine weibliche Seite erkennen, auch wirkt die Komposition auf den ersten Blick statuarischer. Wie beim Wiegeschritt des Walzers scheint das Paar für einen kurzen Augenblick vor dem einsetzenden Linksschwung zu verharren. Die Dynamik wird hier nicht durch das Herausarbeiten der Drehbewegung erzeugt, sondern durch die Betonung des dramatischen Moments und seine Übertragung auf den Betrachter. "Form ist alles (...), die Bewegung, die als belebendes Moment die Figur durchzieht und sie trägt", sagt der Bildhauer Franz Bernhard.
Zwiesprache mit Bäumen
Die Skulptur nimmt in gegenwärtigen Kunstbetrieb einen wichtigen Platz ein. Eine Renaissance der Bildhauerei ist zu erleben und auffallend viele Künstler scheinen sich neuerdings mit dem Material Holz zu beschäftigen.
Vielleicht ist es der natürliche gewachsene Werkstoff, der Anziehung ausübt, vielleicht sind es die vielfältigen Möglichkeiten seiner Bearbeitung, welche reizen. Der Eindruck von der Ergebnissen ist jedoch oft zwiespältig: Dieses Material verlangt Achtung vor seinen im Wortsinn gewachsenen Eigenheiten. Es ist ein die Arbeit mitbestimmender Werkstoff. Sich darüber hinwegzusetzen führt leicht zum kontraproduktiven Umgang mit diesem Material, anzutreffen sowohl bei figürlich als auch bei abstrakt arbeitenden Künstlern.
Die Arbeiten des Holzbildhauers Thomas Diermann unterscheiden sich von vornherein von vielen anderen: Sie sind geprägt von der Sensibilität im Umgang mit dem Material. Formal der Abstraktion zuzuordnen, sind sie doch gleichzeitg dem Figürlichen untrennbar verbunden, wail sie aus der Architektur des Baumes abgeleitet und entwickelt sind. Dabei liegt Diermann nichts ferner als Naturtümelei, die Faszination, die seine Holzskulpturen erwecken, rührt aus der Klarheit des Aufbaus und dem übergeordneten Formprinzip. Der Bildhauer ist frei von jeglicher Sentimentalität im Zusammenhang mit dem Werkstoff Holz. [Peter Weydemann]